Masterfile Mag. 02
Greenworld Magazine | Size: 24mm x 33,5mm | 5 language versions handlettered / exchange text
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Einst ein Forum zur Selbstdarstellung ist das soziale Netzwerk seit einiger Zeit, ich weiss nicht mehr genau seit wann, nur noch ein nervöser Tick. Eine Zwangsneurose, die ich so gut es geht versuche zu kontrollieren. Es passiert einfach nichts erfreuliches dort und die eigene Medienkompetenz ist in einem Maße gestiegen, dass ich mich dort nicht mehr mitteilen möchte. Dennoch gehe ich täglich unzählige Male auf mein Profil und aktualisiere den Trümmerhaufen, der sich Feed schimpft. Um möglichst wenig Grund dafür zu haben, habe ich bereits alle meine Bilder auf privat gestellt und die Kommentarfunktion meines Verlaufs deaktiviert. Ausserdem verberge ich bei der kleinsten Ärgerlichkeit jeden anderen Feed. Was bleibt also?
Einer relativ aktuellen Studie zu Folge verließen seit 2011 rund 11 Millionen junge Menschen die beliebteste Social-Media-Plattform der Welt. Es hat wahrscheinlich jeder schon einmal darüber nachgedacht ein für allemal zu kündigen. Es stellt sich die Frage: Was ist passiert? Es war doch einst alles so toll! Woran könnte es liegen, dass gerade junge Menschen Teil dieses Massen-Exodus sind, galt es doch kürzlich noch als sicherer sozialer Selbstmord keinen Facebook-Account zu besitzen.
10. Werbung.
Wenn nicht das Gesamtpaket so fürchterlich wäre, könnte man vielleicht darüber hinweg sehen aber so bringt Facebook mit Spam das Fass zum überlaufen. Es ist nicht möglich mal zwei Zentimeter zu scrollen, ohne mit gesponserten Posts oder empfohlenen Seiten zugemüllt zu werden. Die ständig wechselnden Seitenspalten seien in diesem Zusammenhang nicht unerwähnt, ganz zu schweigen von den Schrottveranstaltungen, Kellerkombos oder sonstigem Slacktivism, mit dem einen die eigenen Freunde vollspammen. Wie auf der Kirmes oder in Lloret de Mar ist das. Zu allem Überfluss soll es demnächst noch total aufregende Video-Ads geben, die automatisch abgespielt werden. Danke aber nein Danke.
9. Datenschutz-Probleme.
Ist schon klar, dass es nichts umsonst gibt und dass die Funktionalität eine gewisse Personalisierung voraussetzt aber so ganz ohne Idee die Leute quälen ist echt uncool. Von der Verwendung von Usernamen und Profilbildern für Werbung bis zur Überwachung von Privatgesprächen zu Werbezwecken. Ausserdem die Tatsache, dass man die Kontrolle über all seine Bilder und Informationen endgültig abgibt: „Wenn du gehen willst, geh. Deine Daten bleiben allerdings hier.“ ist ein Grundsatz, der viele in die Flucht treibt.
8. Es ist die absolute Internet Sondermüllhalde.
Erinnerst du dich, wie du mal was irre Komisches auf YouTube oder Tumblr entdeckt hast? Und wie die Kuh dann gemolken wurde, bis auch der letzte Bauer nach Monaten irgendeinen Post damit verfasst hatte und man sich am liebsten die Augen auskratzen wollte, bevor man es noch einmal sehen müsste, weil es so dermaßen ausgelutscht war? Das ist der normale Kreislauf des Lebens eines Internet Meme, wie ihn jeder schon einmal beobachtet hat.
Wenn es durch alle Kanäle genudelt wurde, landet das Teil in der Regel auch irgendwann bei Facebook um dort einen grausamen, unwürdigen Tod zu sterben.
Man kann sich darauf verlassen, dass jedes Video oder Bild, dass man in seinem Feed sieht und das den Esprit seines Verfassers demonstrieren soll entweder völlig falsch verwendet wird, völlig unwitzig ist und zu 99% keine eigene Entdeckung oder Idee und somit ein völlig overpostetes Phänomen ist. Postillon und Schlecky Silberstein für Abiturienten (sind auch immerhin externe Links) sowie Das war ich nicht, das war schon so.-Facebook Gruppen für den Rest. Einfach nur „gefällt mir“ drücken reicht. Ist natürlich alles gleich stumpf.
7. Uns interessieren diese Menschen eigentlich gar nicht.
Jeder Trottel, dem man irgendwann mal besoffen über den Weg gestolpert ist, findet einen irgendwann auf Facebook. Von meinen 700+ Freunden interessieren mich vielleicht 70. Ich akzeptiere schon seit einiger Zeit nicht mehr jede trampelige Anfrage und bin schon genau so lange Feeds am verbergen, da mich die intimen Details der inkonsequenten Lebensstile meiner Bekannten einfach null interessieren.
Natürlich ist Facebook eine tolle Sache um mit Leuten in Verbindung zu bleiben aber öfter als einem lieb ist, bleibt man dort mit Leuten in Verbindung, mit denen man im echten Leben niemals in Verbindung treten wollte. Egal ob irgendwelche Cybermobs gegen Markus Lanz oder immer und immer weiter Sushi und Tatort am Sonntagabend. Ey sorry Eli Pariser aber an dieser Stelle mal ein Hoch auf die Filter Bubble!
6. Es macht uns unglücklich.
Naja, mich persönlich jetzt nicht so, weil mein Leben entweder so toll oder das meiner Freunde einfach noch erbärmlicher ist aber die Ergebnisse einer aktuellen Studie legen nahe, dass dem so sei. Weil jeder sich dort von seiner besten Seite zeigt und niemand seine Defizite und Misserfolge postet entsteht der Eindruck, dass alle ein erfüllteres Leben als man selbst führt. Was natürlich nicht stimmt und jeder, der einen dreistelligen IQ hat auch in der Lage ist, das zu durchschauen. Dann landet man aber ganz schnell wieder bei Punkt 7. Oder sucht das Weite.
5. Es entwertet unsere Beziehungen im echten Leben.
Mal abgesehen von den armen Irren, die jedem geistigen Impuls nachgeben den sie haben und ungefiltert jede Sekunde ihres nutzlosen Lebens posten: Es dürfte wohl so ziemlich jeder genervt davon sein, dass einem keiner mehr zuhört und das Smartphone (und damit oftmals auch Facebook) völlig unverhohlen zu jeder Gelegenheit mehr Beachtung erhält, als der Satz, den man gerade spricht. Darüber hinaus ist die Tatsache, dass man nichts mehr erzählen kann, da ja eh alles schon bei Facebook steht ein weiterer Downer. Wir denken in Updates und Likes, eine echte Unterhaltung möchte eigentlich niemand führen. Da die meisten User so vieles auf Facebook teilen, dürfte sich eigentlich niemand über einen Satz wie in etwa „Ja, ich sah das schon in deiner Timeline. Musst es mir nicht erzählen.“ eigentlich nicht wundern.
4. Es ist voller Menschen, die uns wahnsinnig machen.
Mal ehrlich: Obwohl man seine Geistesblitze und Informationen technisch gesehen mit jedem teilt den man geaddet hat, sind doch die meisten Posts eigentlich nur für einen selbst. Die große Illusion der Idee eines sozialen Netzwerks ist, dass andere Menschen sich für den banalen Bullshit genau so interessieren wie du. In Wirklichkeit wird ist dein ganzes Profil nur eine Jauchegrube des Narzissmus. Nirgends sonst ist dieser dermaßen manifest zu beobachten wie auf Facebook: Fishing for compliments, unsubtile Tiefstapelei, random emotionale Statusmeldungen ohne Kontext und Erklärung (und damit um Aufmerksamkeit flehend), endlos lange kultige Pinnwanddialoge, die man sich besser per Email, SMS oder am Telefon erzählen würde und nicht zu letzt die völlig uninformierte pseudo-edgy aber gruppenkonforme politische Meinung nach der niemand gefragt hat. Facebook ist ein niemals endender Abgrund der Selbstbesessenheit, der den hartgesottensten Zyniker zum Heulen bringt.
3. Es ist einfach nicht mehr cool.
Wer sich einmal auf irgendeine andere Social-Media-Plattform gewagt hat, wird schnell bemerken, dass über Facebook (etwas elitär, ich gebs zu) generell eher die Nase gerümpft wird. Auf Tumblr, Google+ und anderen ist die Facebook sucks!-Mentalität kaum zu übersehen. Im Ernst, Facebook hat seinen Coolness-Faktor längst verloren. Das ist ungefähr so wie Apple/Microsoft vor zehn Jahren. Oder MySpace/Facebook vor fünf. Dabei ist die Tatsache, dass mittlerweile die komplette bucklige Verwandschaft endlich auch einen Account hat nicht gerade hilfreich. Konsequenter kriegt man die Kids echt nicht vertrieben als mit den eigenen Eltern und Großeltern. Demnächst kreuzen die womöglich noch im Lieblings-Afterhour-Club auf. Tschüss ihr Trottel.
2. Es vernichtet Lebenszeit.
Es ist langweilig. Es nervt. Es ist deprimierend. Dennoch fühlt man sich irgendwie sozial gebunden und kommt nicht davon los. Vereinfacht gesagt, macht Facebook keinen Spaß mehr sondern ist zur Pflichtroutine geworden. Irgendwie Hausaufgabe und Procrastination zugleich, eine Routine, die uns die Zeit nimmt unendlich viele produktivere und interessantere Dinge zu tun anstelle des passiv/aggressiven Aufregens über uninformierte Status Updates. Es ist höchstens eine Alternative zum Zapping (Fernsehen, erinnert sich jemand?) und dem ständigen Gerenne in die Küche um in den Kühlschrank zu gucken obwohl nix drin ist. Zurück bleibt nur Frustration und Leere. Lebenszeit kriegt man nie zurück, für viele vielleicht ein Grund sich von Facebook zu verabschieden.
1. Es ist nicht alternativlos.
Facebook ist bei weitem nicht mehr die beste Lösung für so ziemlich alles, was man so tun möchte: Total crazy Fotos aus deinem Leben teilen bei denen nur die liebsten und engsten Freunden es hinkriegen Interesse zu heucheln? Instagram! Arty Fotos MIT pseudolyrischen Phrasen minus Eltern? Tumblr! Weltweite Aufmerksamkeit für Leute, die es interessiert? Twitter! Professionelles Networking? Google+ (die haben die bessere Suchmaschine und eine nicht zu ignorierende Videoplattform im Rücken) oder Linkedin. Dating oder wenigstens die Illusion, dass was geht? Tinder.
Sicher kann Facebook theoretisch von allem etwas, aber irgendwie dann doch nichts richtig. Individuen haben heutzutage sehr spezifische Bedürfnisse und Vorstellungen von dem Web, dass sie haben und in dem sie sich bewegen möchten. Wenn man sich nonstop durch einen endlosen Strom an ungeordneten Informationen stolzer fast Fremder quälen muss, kribbelt das irgendwie nicht mehr so wie früher.
http://www.youtube.com/watch?v=27lhZxFCQ7c
Word.
Alles andere scheint die bessere Alternative.
„Das Fernsehen macht die Klugen klüger und die Dummen dümmer.“ – (Marcel Reich-Ranicky).
Das Gleiche gilt auch für das Internet, vom Gegenteil will ich mich einfach nicht überzeugen lassen. Mit entsprechend großer Verwunderung verfolge ich einen Diskurs der eigentlich eher in Richtung amtliche Verschwörungstheorie als in Richtung Wissenschaft geht. Internet Surveillance, Datensammlung, Profiling, Manipulation, Zensur und undurchsichtige, gesichtslose Konzerne hinter allem. In seinem Buch The Filter Bubble: What the Internet Is Hiding from You vertritt Eli Pariser die These, dass durch die zunehmende (Web-)Personalisierung ein gefährliches neues Wesen erschaffen würde: Der antidemokratische Mensch. Der Autor befürchtet, dass personalisierte digitale Filter wie Facebook, Google, Twitter und all die anderen unseren Kultur- und Informationshorizont einengen, sowie tieferen Einblicken und Lernmöglichkeiten wenig Raum lassen.
Eli Pariser ist entweder wahnsinnig naiv und nicht in der Lage größere Zusammenhänge zu erfassen oder ein Populist. Das erste wäre Dummheit, das zweite Bösartigkeit. Keine Ahnung, was in diesem Zusammenhang das geringere Übel ist. Zumindest von Kognitionspsychologie hat er keine Ahnung, laut Wikipedia aber immerhin er einen Bachelor in Jura und Politikwissenschaft -spräche also eher für seine Ahnungslosigkeit- und ist „left-wing political and internet activist, the board president of MoveOn.org and a co-founder of Avaaz.org„. Das spräche jetzt wiederum eher für den Populismus.
Auch vom Kausalitätsprinzip scheint er noch nie etwas gehört zu haben. Unterm Strich stellt Pariser nämlich die folgende, ‚alarmierende‘ These auf: „The Internet is showing us what we want to see, not what we need to see!“ Dabei lässt er es ständig so klingen, als ob die dafür verantwortlichen Algorithmen uns in dieser Blase einsperren und es sich um einen willkürlichen und starren Zensurapparat handelt. Das Gegenteil ist in Wirklichkeit der Fall: Die Blase ist ein dynamisches und organisches Organisationsprinzip, dass sich ständig anpasst. Vorraussetzung ist natürlich, dass man grundsätzlich selbst kein total stumpfes und uninteressiertes Wesen ist. Die Kausalrichtung ist nicht die von Pariser angeprangerte ‚Das Internet macht uns dumm.‘ sondern eher ‚Wer dumm ist, der kriegt auch dummes Internet.‘ Die vielbeschworenen Algorithmen helfen uns bei der Orientierung in unserer individuellen Onlinewelt. Sie übernehmen bei der Sortierung von Informationen nach Prioritäten die Aufgaben die unser Gehirn in der echten Welt hat. Schließlich nehmen wir um uns herum generell nur Dinge war, die eine bestimmte Relevanz haben, weil es sonst zu einer kognitiven Überlastung kommt es sei denn man ist Dustin Hoffmann in Rain Man und mit dem will man ja auch nicht unbedingt tauschen. In der echten Welt bleibt folglich von den Nachrichten auch nur das hängen, was einen interessiert: Wenn drei Menschen die gleiche Nachrichtensendung sehen, gibt es drei verschiedene Wahrnehmungen. Es gäbe keine drei bis aufs Wort identischen Inhaltsangaben.
Pariser sehnt sich nach einem standartisierten Internet mit den gleichen ungefilterten Suchergebnissen für alle. Na herzlichen Dank. Irgendjemand müsste diese Standards natürlich festlegen, es sei denn es findet sich noch eine Möglichkeit nach jeder Suche jedes mögliche Suchergebnis ohne Priorität anzuzeigen. Da dann keiner auf der Welt mehr irgendwas finden würde, wäre das auf jeden Fall fürs erste schonmal ein gerechteres Internet. Dass dies rein technisch nicht möglich ist (den Monitor will ich sehen) und auch die kognitive Informationsverarbeitung (*dreh durch*) so nicht funktioniert, geschenkt. Dass aber datensammelnde Apps, Plattformen und andere Webangebote so per se als böse gehirnwaschende Stasiautomaten kategorisiert werden ist wirklich kurzsichtig. Die sammeln die Daten ja nicht einfach so, weil sie dann irgendwann mit einem großen „Haha!“ um die Ecke kommen, sondern weil die Daten eine Grundvorraussetzung für das funktionieren der angebotenen Dienste sind. Es findet kein Tausch Daten gegen Dienst statt, der Dienst IST die Organisation der Daten! Natürlich tun diese Unternehmen das nicht aus purem Altruismus sondern aus wirtschaftlichem Interesse, was unter Umständen ethisch-moralisch nicht einwandfrei sein mag. Der Kunde ist allerdings immer noch König, deshalb kann ich nicht glauben, dass diese Firmen im Gegensatz zum Staat bei dem die Gefahr der Zensur aus ideologischen Gründen heraus viel größer ist, ein Interesse daran haben ihre Kunden zu verprellen oder den Informationsfluss zu drosseln.
Pariser schließt sich hier ideologisch einer wachsenden Gruppe von Internetpessimisten an, deren im Jahrestakt erscheinden Publikationen davor warnen, dass das Internet dumm mache, sowie Kultur oder soziale Interaktion zerstöre. Dass sich diese reaktionäre Debatte bei jeder Etablierung eines neuen (Massen-)Mediums wiederholt, merken die gar nicht. Dabei ist es eigentlich noch nicht so lange her, dass beispielsweise erst das öffentlich-rechtliche und dann das Privatfernsehen als Grund für den Untergang des Abendlandes auserkoren wurde. Das ist Schnee von gestern und das Dschungelcamp der Liebling des Feuilletons. Im Internet lauert plötzlich die wahre Gefahr: Der Tenor ist, dass zunehmende Informations- und Medienpersonalisierung zu einer Art kommerzieller Gehirnwäsche führe. Absurderweise klingt in solch kritischen Stimmen immer der romantisierende Wunsch nach einer einfacheren Zeit mit. Früher war halt alles besser. Damals, als noch eine weise und ethisch-moralisch integere Medien- und Politelite existierte, die uns ihre Agenda vorgab und unsere Optionen wohlwollend in Hinblick auf das einschränkte, was besser für uns war. So toll war das früher allerdings auch nicht, da wurde gegessen, was auf den Tisch kam. Ich kann diesen Wunsch nach Deindividualisierung und medialer Gleichschaltung unter dem gutmenschelnden Deckmantel eines Cyber-Robin-Hood nicht nachvollziehen, zumal keine sinnvollen Alternativen genannt werden. Da muss man dem Autoren ja fast eine narzisstische Störung unterstellen.
Es wird wohl niemand abstreiten, dass wir heute informierter und interaktiver als jemals zuvor sind. Ich bin geradezu verliebt in das Web 2.0. Die Einbahnstraße wurde, ein Glück für uns (Pech für die Massenmedien), abgeschafft. Der Zugang zu einem unendlichen Strom von Informationen zu jeder Zeit, überall und für jeden ist eine großartige Entwicklung und verlangt eben ein Organisationsprinzip. Eli Pariser ist in diesem Zusammenhang mit all seinen Aktivitäten (MoveOn.org, Avaaz.org) die lebende Widerlegung seiner eigenen These und ein leuchtendes Beispiel für eine im Web 2.0 geborene partizipative Kommunikationskultur. Das Web 2.0 fördert kulturelle Heterogenität und gibt jedem Teilnehmer die Möglichkeit gehört zu werden.
So, ich ziehe mir jetzt noch ein paar YouTube-Videos rein.
PS: Ich weiss, dass das Buch von 2011 ist und somit schon fast kalter Kaffee sein sollte. Anlass für diesen Beitrag war, dass im Rahmen meines Masterstudiums innerhalb kurzer Zeit von zwei unterschiedlichen Lehrpersonen relativ unreflektiert auf The Filter Bubble aufmerksam gemacht wurde. Alles was ich hier schreibe ging mir dabei sofort durch den Kopf. Da ich aber die Leute die mit mir studieren und mich unterrichten nicht noch mehr quälen wollte als ich es sowieso schon mit meiner altklugen Art tue, biss ich mir bis hierher auf die Zunge. That’s why this is called ‚Mon petit Tourette (Teil 2)‘.
Howard Stern feiert seinen 60. Geburtstag im Hammerstein Ballroom (NYC). Sirius XM überträgt alles seit 22 Uhr (pre-Show) deutscher Zeit kostenfrei via Stream. Da ich seit circa einem Jahr so ein Stern-Nerd bin und mir den wirklich täglich anhöre (ob alte Sendungen aus den letzten Jahrzehnten oder ganz aktuelle dank tonnenweise illegaler Uploads auf YouTube) ist das Event für mich eine große Sache. Ich glaube sogar, dass die Howard Stern Show (und das Internet natürlich) der Grund ist, warum ich seit einem Jahr gar kein Fernsehen mehr konsumiere obwohl ich früher ein richtiger TV-Junkie war.
Dieser Beitrag ist aus aktuellem Anlass, weil alles so aufregend ist und deshalb vielleicht etwas schludrig. Die Veranstaltung findet übrigens immerhin am Superbowl-Weekend statt und ist von der Promidichte wohl mit den Oscars zu vergleichen. Howard Stern ist die wahrscheinlich wichtigste Medienfigur der letzten 30 Jahre. Je mehr ich mich mit ihm beschäftige, desto mehr wird mir bewusst, dass so ziemlich jedes Fernsehformat der letzten 20 Jahre (und absurderweise nicht das Radio), sowie einige Karriereentscheidungen berühmter (auch deutscher) Medienpersönlichkeiten heute irgendwie auf ihn zurück zu führen sind.
Ich finde es vor allem unter dem Aspekt der Rezeption medialer Unterhaltungsangebote interessant, diesem Livestream zu folgen. Eine TV-Übertragung gibt es nicht (schließlich ist Sirius XM der Sender), dennoch steht anscheinend ganz Manhattan Kopf. Zusätzlich gibt es einen Foto-Livestream aller möglicher Protagonisten und auf Twitter kann hat man ein richtiges kollektives Erlebnis unter diversen Hashtags. Das ist next Level Shit, ich wundere mich immer wieder, wie viele Fernsehmacher gerade hier in Deutschland den Knall noch nicht gehört haben.
https://www.youtube.com/watch?v=SIoUQIBabys
Irgendwann, wenn ich mal Zeit habe gibts was Ausführliches zu Howard Stern. In fünf Minuten ist die Pre-Show rum, dann gehts los. Stoked.
Obwohl ich eigentlich eine Nachrichtendiät halte und circa 700 Leute auf Facebook verborgen habe (dabei addete ich extra schon nur meine 744 engsten Freunde), entging es mir nicht, dass seit Neuestem (oder schon wieder) Markus Lanz als Sau durch das Globale Dorf gejagt wird. Eine scheinbar herrlich politisch korrekte Art und Weise sich völlig ohne Idee einem Mob anzuschließen und mal so richtig Dampf abzulassen. Dieses Herdenmenschentum ist in Wirklichkeit allerdings dermaßen einfallslos und höchstens gut genug sich auf eine total unproblematische Art und Weise ein paar Likes zu sichern, denn die dürften einem ja im eigenen Freundeskreis sicher sein. Wahnsinn, mit welch persönlichem Ehrgeiz man da teilweise vollgespammt wird. Lanz ist in diesem Zusammenhang natürlich eine nur all zu dankbare Projektionsfläche für postillonartikelpostende Mitläufer und andere spießige Hipster, die selbst noch nie in ihrem Leben eine eigene Idee hatten. Letztes Jahr wars der Brüderle (remember #Aufschrei?) nur ist der wenigstens unattraktiv, hat was Freches gesagt und es stand eine Wahl an, was ja im jetzigen Zusammenhang nicht der Fall ist. Es ist die pure Freude daran, zu glauben, irgendetwas verstanden zu haben und das soll die ganze Welt wissen. Das Jahr Schonfrist (dank Brüderle) für Markus ist um. Jetzt ist er anscheinend endgültig reif.
Was mich in erster Linie anwidert: Die Aktivisten kommen sich dabei auch noch irgendwie rebellisch und unangepasst vor! Das sind dann Menschen, die Charlotte Roche und Jan Böhmermann oder zumindest Joko und Klaas und Lady Bitch Ray für total subversiv halten. Leider kommt nie ein Kind in deren Sendungen und schreit, dass der Kaiser gar nichts an hat. Die sind als Lieblinge des Feuilleton dadurch viel ärgerlicher, weil Lanz ja eh offiziell Mainstream ist und das bloß irgendwelchen Rentnern gefallen soll. Das weiß auch die Wagenknecht. Jeder weiß das, was soll also das Geschrei, ausser dass es dem Selbstzweck dient? Das ist quasi wie wenn irgendwelche Heinis, die Linkin Park oder Ähnliches hören bei YouTube schreiben, dass Justin Bieber scheiße sei. Guten Morgen. Die klopfen sich da auch alle gegenseitig auf die Schulter. Dabei kann man bei einer Markus Lanz Sendung richtig Spaß haben, erst recht wenn man das richtige Trinkspiel kennt. Ich bin mir natürlich darüber im Klaren, dass meine Erkenntnisse bezüglich quälender Web 2.0 Dynamiken auch nicht gerade neu sind und ich vielleicht genau so ein Dummkopf bin mit dem Unterschied, dass diese Facebookheinis (schlimmstenfalls) Lanz und Bekannte zugleich für mich sind. Ein doppeltes Dilemma. Neben dem Moderator bin ich also der andere große Verlierer dieser Debatte. Aber zum Glück ist das ja mein Blog. Soll jemand anderes sich auf dem seinen darüber lustig machen.
Markus, halt durch (und mach die Newsdiät).
PS: Wer ganz viel Langeweile hat, sollte sich mal die Sendung von Roche und Böhmermann mit Markus Lanz als Gast ansehen. Danach bitte jeder einmal schämen, der die Petition kichernd unterschrieb.
http://www.youtube.com/watch?v=DaPpvk5ImEc
Lanz (Mitte): Coolste Sau am Tisch.